Eibesthal ist ein Dorf im niederösterreichischen Weinviertel und eine Katastralgemeinde der StadtGemeinde Mistelbach. Der Ort liegt rund fünfzig Kilometer nordöstlich von Wien. Passionsspiele wurden in Eibesthal bereits zwischen 1898 und 1911 in großem Stil in einer eigens dafür erbauten Halle aufgeführt und waren überregional bekannt. Die Idee, wieder zu spielen, ging nie ganz verloren und wurde über die Jahrzehnte durch viele Faktoren genährt, bis es zur Uraufführung der Eibesthaler Passion als Figurenspiel nach Markus 1999 kam. Eine ausführliche geschichtliche Darstellung findet sich unter Geschichte/Passion 1898 bis 1911 sowie Geschichte/Die Zwischenzeit von 1911 bis 1998.
Passionsspiel mit Figuren ist im deutschsprachigen Raum schon im 16. Jahrhundert belegt. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Tradition jedoch nicht mehr gepflegt.
Die Idee, in Eibesthal eine Passion als Puppentheater zu spielen, kam erstmals in den 1980er Jahren vom damaligen Kulturstadtrat, dem Eibesthaler Franz Stättner. Er war Lehrer in der Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen in Mistelbach, wo man sich auch mit Puppenspiel befasste. Zudem wurden schon seit 1979 jährlich internationale Puppentheatertage in Mistelbach veranstaltet. Für eine ausreichende Unterstützung war die Zeit jedoch noch nicht reif.
Erst der spätere Mistelbacher Bürgermeister Ing. Christian Resch machte es sich zum Anliegen, die beiden Traditionsstränge Passionsspiele Eibesthal und Internationale Puppentheatertage Mistelbach zu verknüpfen und die Entwicklung einer Passion als Figurentheater zu unterstützen. 1996 konnte er dafür den damaligen Intendanten der Puppentheatertage, Olaf Bernstengel (Deutschland), und die beiden Ausstatter von Puppentheaterbühnen, Jana Pogorielova und Anton Dusa (Slowakei), gewinnen. Nach anfänglicher Skepsis wurde die Idee auch in Eibesthal positiv aufgegriffen. Gemeinsam erarbeiteten die drei Puppentheater-Experten und der Eibesthaler Theologe Andreas Strobl ein Konzept.
Dabei wurden verschiedene Spielorte in Eibesthal in Erwägung gezogen. Unter anderem auch der Kirchenvorplatz mit den Arkaden und dem Turmbalkon. Da ein Figurenspiel Intimität braucht, wurde die Idee wieder verworfen. Auch der Saal unter der Kirche, in dem seit 1956 durchgehend zu Weihnachten von der Jugend Theater gespielt wird, kam ins Gespräch. Man entschied sich dann aber für die Kirche, um das Spiel direkt am sakralen Ort zu verankern und den erhöhten Altarraum mit dem großen Holzkreuz im Mittelpunkt als Bühne zu nutzen. Der Kirchenraum fasst etwas über 300 Sitzplätze.
Gerungen wurde auch um eine passende Form von Figuren, die für Laien spielbar sind und dem Rahmen des Anliegens gerecht werden sollten. Jana Pogorielova und Anton Dusa ließen sich von spätgotischen Altarfiguren ihrer Heimat inspirieren und schufen 28 Holzfiguren, die rund einen Meter groß sind und eine relativ einfache Handhabung erlauben. Als zentrales Bühnenelement bildeten sie eine alte Weinviertler Weinpresse mitsamt dem Presskorb nach. Damit wurde eine regionale Anbindung geschaffen und zudem schwingt dabei das Leiden und Sterben Jesu Christi in dem Bild des Pressens und Vergärens der Trauben mit.
Der Text, den Andreas Strobl vor der endgültigen Festlegung der Figuren schrieb, musste knapp sein, um die Figuren nicht zu überfrachten. Damit legte sich eine Bearbeitung des Markusevangeliums nahe, da dieses das kürzeste Evangelium ist und eine knappe Sprache hat. Zudem ist Markus der Kirchenpatron der Eibesthaler Pfarrkirche. So wurde ein Passionsspiel geschaffen, das gegenüber anderen mit rund eineinhalb Stunden erstens auffällig kurz ist und zweitens kein Verschnitt von Material aus allen vier Evangelien ist. Dadurch kommen auch manche vertraute Personen und Szenen in dem Spiel nicht vor, etwa die Mutter Jesu.
Franz Stättner, Kapellmeister des Musikvereins und Funktionär im Blasmusikverband, übernahm die musikalische Gesamtleitung. Er stellte den Kontakt zum Komponisten Gerhart Banco aus Pöchlarn her, der sowohl in der Blasmusik als auch in der Kirchenmusik bewandert ist. Dieser komponierte eine Passionsmusik für neun Bläser und Kirchenorgel. Die Musik wird live mit örtlichen Musikerinnen und Musikern gespielt. Im Zuge des Aufführungszyklus 2005 wurde sie auch auf CD aufgenommen.
Rund 20 Eibesthalerinnen und Eibesthaler – jugendliche und schon ältere – waren bereit, sich auf dieses unbekannte, neue Terrain des Figurentheaters zu begeben. Olaf Bernstengel übernahm die Regiearbeit und brachte ihnen mit viel Geduld und Verständnis das Spiel mit diesen Figuren bei. Bis heute gilt: Wer mitspielen will, ist dabei. Von Anfang an übernahmen auch Frauen die Führung von männlichen Figuren, wie zum Beispiel der Apostel. Das Spiel mit Figuren stellt in manchem zwar eine Einschränkung an spielerischer Ausdrucksmöglichkeit dar, eröffnet aber andererseits neue Möglichkeiten der Darstellung, des Dialoges und des Perspektivenwechsels zwischen Spieler und Figur und zwingt zum präzisen Herausarbeiten des Wesentlichen. Nicht alle Rollen sind mit Figuren verbunden. Gespielt wird in dunklen Kutten, um die Figuren in den Vordergrund treten zu lassen.
Unabdingbar war auch eine professionelle Licht- und Tonarbeit, um die sparsame Gestik und die knappen Sätze zu verstärken. Mit Jürgen Erntl (EJ-Lighting/Mistelbach), Wolfgang Lehner (Axtone/Pottendorf) und Christoph Gahr (Gatschi Events/Mistelbach) fand man von Beginn weg die passenden Partner dafür.
Neben dem Spiel im engeren Sinn war eine große Herausforderung die Bewerkstelligung der Organisation und die Unterstützung bei vielen Tätigkeiten wie zum Beispiel dem Bühnenbau, dem Nähen der Gewänder, der Gestaltung einer Ausstellung, dem Kartenverkauf. Insgesamt waren über hundert Personen aus Eibesthal direkt in verschiedene Arbeiten involviert. Von Beginn weg bis dato übernahm dabei der Eibesthaler Reinhard Gindl wesentliche organisatorische Aufgaben, v.a. die Finanzverwaltung, und eine führende Rolle. Ein Organisationskomitee wurde zusammengestellt. Große Unterstützung bekamen wir von Anfang an durch die StadtGemeinde Mistelbach, besonders durch das Kulturamt unter der damaligen Leiterin Helga Ruso-Pawelka.
Bis zum Spielzyklus 2010 war die Eibesthaler Passion ein Projekt der Dorfgemeinschaft Eibesthal und der StadtGemeinde Mistelbach. 2014 wurde eine größere rechtliche Verbindlichkeit durch die Gründung der ARGE Eibesthaler Passion als einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht erreicht. Diese ARGE tritt nun als Veranstalter auf und wurde von folgenden Gesellschaftern aus Eibesthal errichtet (in alphabetischer Reihenfolge): Dorferneuerungsgemeinschaft, Freiwillige Feuerwehr, Interessensgemeinschaft Passionswein, Katholische Frauenbewegung, Musikverein, Pfarre sowie Stadtgemeinde Mistelbach.
Die Uraufführung der Passion als Figurenspiel fand 1999 statt, also fast genau 100 Jahre nach der Uraufführung der alten Passion im Jahre 1898. Gespielt wurde vom Sonntag nach Ostern bis Pfingsten. Aufgrund des Erfolges wurde beschlossen, im geschichtsträchtigen Jahr 2000 wieder einen Zyklus in der Fastenzeit bis Ostern zu spielen. Seither wird alle fünf Jahre an den Wochenenden in dieser Zeit gespielt. 2015 sind es zwölf Vorstellungen.
2010 zog sich Olaf Bernstengel aus der Regietätigkeit zurück. Er vermittelte Volkmar Funke (Deutschland). Dieser ist Regisseur und auch selbst Puppenspieler. Er gestaltet als Regisseur erstmals den Zyklus 2015 auf Basis des Grundkonzeptes und eines überarbeiteten Textes.
Im Zuge seiner Visitation wurde Kardinal Christoph Schönborn im März 2000 in der Unterkirche eine Szene aus der Passion vorgespielt. Am Palmsonntag des Aufführungsjahres 2005 besuchte er eine Aufführung.
Eibesthal ist als einer von insgesamt elf österreichischen Passionsspielorten auch Mitglied der EUROPASSION, einer Plattform von rund 90 Passionsspielorten aus 15 europäischen Ländern. Sowohl auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene finden regelmäßig Austausch-Treffen statt. 2005 fand ein Treffen der österreichischen Passionsspielorte in Eibesthal statt.
Beim 850 Jahre Stadtjubiläum von Neumarkt in der Oberpfalz (D) im April 2010 gastierte Eibesthal mit seinem Passionsspiel im historischen Reitstadel. Neumarkt ist eine Partnerstadt von Mistelbach und selbst Passionsspielort.
Unter den europäischen Passionsspielorten ist die Eibesthaler Passion als Figurenspiel einmalig. Auch unter den Puppentheater-Gruppen ist das Projekt einmalig, da es weder vom Stoff noch vom Gesamtrahmen ein vergleichbares Projekt gibt.
Bei all den spielerischen Besonderheiten, die die Eibesthaler Passion aufweist, ist dennoch als vorrangiges Anliegen die Verkündigung von Jesus Christus zu sehen.
Andreas Strobl
Rückblick Spielsaison 2015 und Vorschau 2023
Die Spielsaison der Eibesthaler Passion mit 12 Aufführungen in der Fastenzeit 2015 war aus unserer Sicht sehr zufriedenstellend.
Entscheidend ist, dass nach den Aufführungen viele auf uns zugekommen sind und uns gesagt haben, sie seien berührt worden. Darum geht es doch letztlich bei unserem Passionsspiel: eine Berührung herzustellen zwischen Jesus aus Nazareth, dem Sohn Gottes und den Menschen im Zuschauerraum, für die wir diese Geschichte in der Form des Figurentheaters erzählen.
Die gute mediale Präsenz in Printmedien und im ORF war mit ein Grund für die erreichte Auslastung von 97 Prozent. Somit haben knapp 4000 Personen unsere Passion gesehen.
Zählt man all jene aus dem Ort zusammen, die zum Gelingen der Eibesthaler Passion beigetragen haben, so waren das mehr als 200 Personen, also etwa ein Viertel der BewohnerInnen von Eibesthal. Das zeigt die Dimension des allgemeinen Engagements. Unmittelbar am Spiel beteiligt waren 21 FigurenspielerInnen und 15 MusikerInnen. Alle anderen waren in der Organisation, im Bühnenbau, im Verkauf, in der Besucherbetreuung, bei der Bewirtung und beim Ausschank oder bei der Feuerwehr tätig. Dazu kommen noch die externen MitarbeiterInnen der Technik und der StadtGemeinde Mistelbach.
Die heurige Spielsaison war eine Neuinszenierung, da erstmals Volkmar Funke als Regisseur tätig war. Er hat auf Basis eines komplett überarbeiteten Textes neue szenische Zugänge mit den LaienspielerInnen erarbeitet. Die schon bestehende Passionsmusik wurde mit diesen neuen Szenen abgestimmt. Gleich geblieben sind auch die Figuren und die Ausstattung, die das Herzstück unserer Darstellung sind und die Eibesthaler Passion als Figurentheater zu einer einzigartigen Spielform unter den Passionsspielen macht.
Wir spielen wieder in der Fastenzeit 2023. Solange dazu noch keine weiteren, aktuellen Neuigkeiten vorliegen, bleiben die Informationen zur Spielsaison 2015 bis auf weiteres auf dieser Homepage unverändert zum Nachlesen stehen.
Gerne weisen wir auch noch auf die Aufführungstermine der anderen österreichischen Passionsspielorte hin. Die nötigen Informationen dazu finden sich ebenfalls auf dieser Homepage unter dem Menüpunkt Passionsspielorte.
Andreas Strobl und Reinhard Gindl
für die ARGE Eibesthaler Passion
Die Vorstellung ist aus! Der Vorhang fällt ...
So heißt es in der Todesnachricht von Dr. Olaf Bernstengel, der 67jährig, nach längerem Kranksein, am 27.1.2020 verstorben ist. Olaf war von 1994 bis 2011 Intendant der Mistelbacher Puppentheatertage und etwa im gleichen Zeitraum für die Eibesthaler Passion tätig. Er war von Anfang an maßgeblich an der intensiven Suche nach einer geeigneten Form für unsere Figuren-Passion beteiligt: er als Regisseur und Puppenspieler, Jana Pogorielova und Anton Dusa (+2016) als Ausstatter und ich als Textverantwortlicher, der beeindruckt war von dem Fundus an Erfahrungen, die diese großen Persönlichkeiten des Puppentheaters in die Eibesthaler Passion einbrachten.
Olaf hat mit seiner professionellen und umgänglichen Art dann auch wesentlich dazu beigetragen, dass das Figurenspiel bei uns Wurzel schlagen konnte. Unter seiner Regie spielten wir die ersten vier Spielzyklen (1999, 2000, 2005, 2010). Danach übergab er die Regie an Volkmar Funke. Er sagte, es bräuchte neue Impulse und es wäre für ihn an der Zeit, abzugeben.
Er hat Philosophie und Theaterwissenschaft studiert und war ein freischaffender Puppenspieler, der weltweit gespielt hat und für seine besonderen Verdienste um das Puppentheater eine Reihe von Auszeichnungen bekam. Und er war ein eingesessener Dresdner. Er lebte somit lange Zeit unter dem DDR-Regime und er war ohne Religionsbekenntnis. Daher holte er bei den Probenarbeiten einmal sein kleines grünes Büchlein heraus, eine Ausgabe des Neuen Testamentes, hielt es in die Höhe und forderte uns auf: „Ihr müsst das so spielen, dass ich das auch verstehe und es mich berührt.“ Dass die Eibesthaler Passion bei ihm Spuren hinterlassen hat, zeigt ein Bild, von dem mir seine Frau Sonja ein Foto geschickt hat. Er hat es im Vorjahr gemalt und darauf seine schönsten Erinnerungen verewigt. Neben vielen anderen Motiven finden sich da auch die Eibesthaler Kirche, unsere Jesus-Figur und Würstel mit Saft, seine Lieblingsspeise in unserem Wirtshaus.
Wir denken gerne an Olaf zurück. Er hat sich einen Platz in unserer Erinnerung verdient, denn er hat uns mit dem Figurenspiel etwas beigebracht, das unsere Eibesthaler Passion zu einer ganz besonderen Darstellung macht, mit der wir die Geschichte von Jesus erzählen.
Andreas Strobl